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Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage: Genozid!!

Nein, darüber sollte man keine Witze machen. Ist ja auch gar nicht lustig, so ein Genozid. Ich sehe mich schon im Fegefeuer, wo meine Strafe sein wird: Für die Dauer einer nie endenden Ewigkeit den immer selben Witz anhören müssen. Vielleicht diesen: Kommt ein Pferd in eine Bar und der Barkeeper fragt: «Wieso so ein langes Gesicht?» Ununterbrochen dieser vielleicht unlustigste Witz aller Zeiten! Das wäre grausamste Folter! Waterboarding dagegen erholsamste Wellness! Doch zurück ins Kriegsgebiet. Ein Konflikt, der nur aufflammte, weil ich einfach eine Spur zu faul bin. Diese Faulheit führte dazu, dass ich irgendwann den grünen Kompostkübel auf meinem Fenstersims abschaffen musste. Denn was als Zwischenlager erfunden wurde, funktionierte auch als Endlager ganz ordentlich. Nur leider verschimmelte irgendwann das Zeugs darin und wurde so richtig schön weiss, durch und durch, womit sich meine Lust erst recht verflüchtigte, den Kompostkübel in die grosse, grüne Komposttonne vor dem Hauseingang zu entleeren. Ja, vor dem Hauseingang. Zwei Treppen runter, Tür auf, Deckel hoch, Kompost rein, Deckel wieder runter, Tür zu, zwei Treppen hoch, knapp eine Minute, fertig. Doch eben: Zu faul! Also schaffte ich den Kompostkübel ab und entschied mich für ein neues System: das Severin’sche Untertassen-Kompost-System (kurz SUKS). Die Küchenabfälle deponierte ich also fortan auf einem Untertassli und da hier das Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Prinzip (kurz AdAadSP) nicht funktionierte, erhoffte ich mir, damit meine Faulheit zu überlisten. Aber diese ist gut, die ist richtig ehrgeizig, meine Faulheit. So blieb schon nach kurzer Zeit das Untertassli länger und länger in meiner Küche stehen, das SUKS liess erste Zweifel an seiner Genialität aufkommen. Aber egal, es war Winter, es gab dringendere Probleme. Etwa: Wie wate ich durch den Schneematsch, ohne dass sich meine Converse mit Nässe und Kälte voll saugen? Doch nun ist’s Sommer, da kenne ich keine Converse-Schneematsch-Probleme (kurz CSP – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Partei!). Allerdings offenbarte jetzt das SUKS seine gravierendsten Mängel: Lässt man nämlich das Untertassli zwei, drei Tage in der Küche stehen, ohne die sich darauf befindenden Bananen-, Rüebli- oder Melonenschalen in die Komposttonne zu kippen – Sie erinnern sich: Die Tonne gleich vor der Haustür! –, dann schafft man ein Eldorado für die mit Abstand sinnloseste Spezies dieses Planeten. Eine Spezies gar sinnloser als Neonazis oder Tele2-Rangers: Genau, Fruchtfliegen!

Was ist der evolutionäre Sinn dieser Scheissdinger? Würde es der Welt schlechter gehen ohne Fruchtfliegen? Ich verstehe, die Welt braucht Spinnen! Denn sonst könnten sich Männer nicht als Helden aufspielen und massenhaft kreischende Frauen vor riesigen Spinnen retten. Dies wiederum lässt den Mann im Schein eines potenten Erzeugers erstrahlen, wodurch das menschliche Überleben gesichert wird, indem ganz viele Babys gezeugt werden. Das alles dank Spinnen! Demzufolge scheint es in Italien besonders wenig Spinnen zu geben! Oder die Männer dort haben furchtbar Angst vor Spinnen. Was auch ein bisschen den Südländer in mir erklären würde. Aber vom Südländer zurück zum Kriegstreiber. Carla del Ponte hätte viel eher MICH jagen müssen als irgendwelche serbischen Wunderheiler. Müridzic, der Schlächter des Fliegenfeldes! Denn eines Abends entdecke ich die feindliche Armee: Hunderte, wenn nicht Tausende von Fruchtfliegen belagern meine Küche. Es ist spät, keine gute Uhrzeit, um meine Artillerie aus dem Putzschrank zu holen – und damit meine Nachbarn aus dem Bett. Wie ein Samurai kämpfe ich folglich mit blossen Händen gegen eine überwältigende Überzahl. Ich halte mich tapfer, erleide keinerlei Verletzungen, erkenne aber, dass ich gegen Windmühlen kämpfe. Nun ja, ein guter Feldherr gönnt sich und seinen Truppen genügend Erholung, also lege ich mich schlafen. Doch kaum bricht der neue Tag an, da erklingen schon die Fanfaren (zumindest imaginär), da stürze ich zum Hangar (in Zeiten des Friedens auch mein Putzschrank) und hole meine gefährlichste Waffe heraus: Einen Hoover Studio 1500W. Tausendfünfhundert geballte Watts gegen mindestens ebenso viele Fruchtfliegen. (Interessant übrigens die Frage, ob sich die Fruchtfliegen über Nacht aus lauter Spass oder aus taktischer Überlegung schier unerschöpflich gepaart haben!) Der Kampf ist dennoch unausgeglichen, ich gebe es zu. Schon nach wenigen Minuten steht mein Sieg fest, meine Wunderwaffe zeigt Wirkung. Doch da ich keine Fruchtfliege die weisse Flagge schwenken sehe, fahre ich fort, bis auch die allerletzte Drecksfliege vom todbringenden Rüssel meines Staubsaugers verschlungen worden ist. Dann kehrt Ruhe ein.

Seither habe ich mich dem Frieden verschrieben und tröste mich immerhin minimal mit der Gewissheit, dass der Krieg notwendig war – sometimes a man has to do what a man has to do! Der Aggressor musste in die Schranken gewiesen werden. Und mein SUKS funktioniert seither auch wieder einwandfrei. Es ist eben schon so: Disziplin lernt man nicht in der Schule und auch nicht auf dem Kasernenhof! Nein, Disziplin lernt man ausschliesslich in der Küche.



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